Haushaltsrede 2022/2023

Liebe Leserinnen und Leser,

da ich in den letzten Jahren meine Redezeit öfter mal überschritten habe, beschränke ich mich bei der nachfolgenden Haushaltsrede auf ca. 2.000 Worte. Im Großen und Ganzen wird deshalb weitgehend auf Ausführungen zu Zahlen und Einzelposten verzichtet. Diese kann jeder, der sich für die Details interessiert, im Internet ausführlich und in Ruhe nachlesen. Über die jeweils aktuellen Ziele und Schwerpunkte unserer Fraktion informieren wir das Jahr über wöchentlich auf der Parteienseite im Amtsblatt.

Wichtig ist uns vor allem, dass wir zum einen die bereits bekannten und zu erwartenden Aufgaben, die auf uns zukommen, finanziell bewältigen können, dass wir uns dabei aber immer noch so viel Handlungsspielraum bewahren, dass uns zwar noch unbekannte, aber doch erwartbare Krisen nicht gleich aus der Bahn werfen.

Zu unseren großen Aufgaben, die wir in nächster Zeit zu stemmen haben, zählt vor allem die weitere Schaffung von dringend benötigtem günstigem Wohnraum, der Erhalt und den ggfls. notwendigen Ausbau unserer Infrastruktur, insbesondere auch in den Ortsteilen und die Sicherung von Arbeitsplätzen, soweit wir das beeinflussen können.

Wir sollen außerdem die Klimaziele erreichen und bei all dem auch die Attraktivität unserer Stadt erhalten.

Das alles kostet viel Geld. Doch wo kommt dieses Geld nur her? Leider stehen uns die notwendigen Mittel nur zum Teil zur Verfügung, so dass wir in den nächsten Jahren erhebliche Kreditaufnahmen benötigen. Dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass Schulden auch wieder zurückbezahlt werden müssen.

Vor allem dürfen wir nicht die Augen vor den Realitäten verschließen, denn wir leben gerade in schwierigen Zeiten.

Coronakrise, Klimakrise, Ukrainekrise, Energiekrise, Wohnungsnot……

Die Lebenshaltungskosten steigen unentwegt. Vor allem die Preise für Gas, Heizöl und Benzin haben sich in den letzten Monaten teils vervielfacht.

Die Mieten und Neubaukosten verteuern sich ebenfalls stetig. Selbst Baugenossenschaften verlangen bereits 10 € und mehr pro qm Kaltmiete, nur um überhaupt eine schwarze Null zu erreichen.

Immer mehr Menschen, insbesondere Rentner, Alleinerziehende und Familien mit geringem Einkommen fallen unter die Armutsgrenze und sind auf staatliche Unterstützung angewiesen.

Wir wissen nicht, wie es im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine weitergeht. Wir wissen aber, dass ein Krieg einschneidende finanzielle Folgen auch bei uns hätte.

Wir wissen nicht, wie es mit der Corona-Pandemie weitergeht. Ob sich nicht wieder eine neue Mutation bildet, die zu Beschränkungen unseres Zusammenlebens führt.

Schon bisher hat uns die Coronakrise in den beiden vergangenen Jahren im Ergebnishaushalt ein Defizit von ca. 11,8 Mio. beschert.

Und auch für das laufende Jahr rechnen wir noch mit 380 T € Mindererträgen und zusätzlichen 1,84 Mio. Mehraufwendungen.

Wir wissen nicht, ob wir in der nächsten Zeit von Naturkatastrophen wie Starkregenereignisse mit Überschwemmungen und Stürmen heimgesucht werden.

Wir wissen nicht, ob irgendwelche Konflikte wieder Flüchtlingsströme auslösen, die uns vor finanzielle Herausforderungen, insbesondere für die Unterbringung und Wohnraumbeschaffung, stellen werden.

Wir können aber davon ausgehen, dass sich all die gerade beschriebenen Szenarien nicht in Wohlgefallen auflösen werden.

Wir können weiter davon ausgehen, dass wir zur Bewältigung kommender Krisensituationen zusätzliche finanzielle Mittel benötigen werden.

Wir tun also gut daran bei der Erstellung des städtischen Haushaltes nicht nur kurzsichtig auf das schon laufende Jahr 2022 zu blicken, sondern auch auf erwartbare künftige Entwicklungen vorbereitet zu sein.

Ein Doppelhaushalt, so wie er jetzt vor uns liegt, ermöglicht der Verwaltung und dem Gemeinderat etwas weiter in die Zukunft zu planen, und besser auf Veränderungen zu reagieren als beim Einzelhaushalt.

Gerade die Finanzierung und Realisierung, vor allem von größeren Projekten, ist mit dem Zeithorizont von zwei, statt einem Jahr, besser plan- und steuerbar.

Notwendige Investitionen, die erst für das Folgejahr vorgesehen sind, können bereits im ersten Jahr verbindlich eingeplant und ausgeschrieben werden, was erfahrungsgemäß zu deutlich besseren Ergebnissen führt.

Man gewinnt mehr Zeit, um je nach Kassenlage, darüber zu entscheiden, ob auf ein Projekt ggfls. verzichtet werden kann, oder um Alternativen zu suchen.

Nicht zuletzt ist auch innerhalb der Verwaltung ein besserer und wirtschaftlicherer Personal- und Sachmitteleinsatz möglich, wenn man weiter vorausplanen kann.

Der Nachteil eines Doppelhaushaltes liegt vor allem in der großen Unsicherheit im Hinblick auf die zu erwartenden Einnahmen. Die Daten zur Berechnung der Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich liegen regelmäßig erst im November vor, so dass die Erträge des zweiten Haushaltsjahres nur grob geschätzt werden können. Ebenso können Gesetzesänderungen, Tarifabschlüsse oder unerwartete konjunkturelle Veränderungen – ich erinnere in diesem Zusammenhang an die eingangs erwähnter Unwägbarkeiten – die Planungen für das zweite Jahr ziemlich über den Haufen werfen.

Insgesamt überwiegen für uns die Vorteile eines Doppelhaushaltes.

Werfen wir nun ein paar Blicke in den vor uns liegenden Zweijahreshaushaltsplan, insbesondere auf die voraussichtliche Entwicklung der Schulden.

Die Fremdschulden aus bestehenden Darlehensverträgen belaufen sich zum 01.01.2022 auf voraussichtlich 6,6 Mio. Das sind pro Einwohner ca. 167 €.

Die Prognose für den voraussichtlichen Schuldenstand Ende 2022 lautet 41,2 Mio.

Bis zum 31.12.2023 würde der Schuldenstand laut heutiger Planung voraussichtlich auf 59,2 Mio. ansteigen.

Das wären dann ca. 1.500 € pro Einwohner.

Es liegt auf der Hand, dass wir hier gewaltig gegensteuern müssen, um mittelfristig wieder ein ausgeglichenes Ergebnis zu bekommen.

Denn es ist nicht zu erwarten, dass in den nächsten Jahren ein warmer Geldregen über uns kommt.

Außerdem wird uns das Regierungspräsidium eine noch höhere Verschuldung aus heutiger Sicht nicht genehmigen.

Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um die Verschuldung zu reduzieren?

In erster Linie dadurch, dass wir mehr Einnahmen erzielen als wir Ausgaben haben.

Die meisten Einnahmen schlagen sich im Ergebnishaushalt nieder.

Dieser sollte Überschüsse erzielen, die dem Finanzhaushalt für Investitionsmaßnahmen zur Verfügung stehen und außerdem der Rücklagenbildung dienen. Zumindest sollte der Ergebnishaushalt aber ausgeglichen sein. Davon sind wir leider weit entfernt.

Im Jahr 2022 planen wir im Ergebnishaushalt mit einem bereinigten ordentlichen Ergebnis in Höhe von minus 13,4 Mio. Im Jahr 2023 rechnen wir mit einem Defizit in Höhe von 11,3 Mio. Verbessert werden diese Zahlen durch geplante außerordentliche Erträge in Höhe von ca. 6 Mio. in diesem, und ca. 1,5 Mio. im nächsten Jahr.

Hauptsächlich kommen diese Verbesserungen durch Verkäufe von städtischen Liegenschaften, dem sog. „Tafelsilber“ zustande. Das kann man aber leider nur einmal verkaufen.

Die Einnahmen im Ergebnishaushalt erzielen wir überwiegend durch Steuern, Zuweisungen vom Land und Gebühren. Größte Einnahmequelle ist die Gewerbesteuer mit derzeit jährlich ca. 36 Mio.

Wir hoffen in diesem Zusammenhang, dass dem Standort Ettlingen seine Gewerbebetriebe künftig erhalten bleiben. Mit der Fa. Bechtle kommt bald ein erfolgreiches Unternehmen hinzu.

Das geplante Gewerbegebiet am Seehof und die Möglichkeiten im Bereich Kaserne Nord ziehen sicherlich weitere attraktive Unternehmen an.

Damit haben wir die Hoffnung, dass unsere Gewerbesteuereinnahmen künftig weiter steigen werden.

Aus dem Ergebnishaushalt müssen u.a. die Personalkosten, die Sach- und Dienstleistungen und die sog. Transferaufwendungen bestritten werden.

Dazu gehören u.a. die Ausgaben für die Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege, die uns jährlich ca. 14 Mio. wert sind.

Den ÖPNV fördern wir jährlich mit deutlich über 2 Mio. €.

Die Kreisumlage schlägt zurzeit mit ca. 19 Mio. pro Jahr zu Buche, und die Personalkosten betragen 2022 und 2023 im Schnitt ca. 34,5 Mio. im Jahr.

Nennenswerte Einsparpotentiale durch Einnahmensteigerungen im Ergebnishaushalt bestünden in erster Linie in Steuer- und Gebührenerhöhungen. Das wird zu gegebener Zeit zu diskutieren sein.

Bedeutsames Einsparpotential durch Ausgabenreduzierung wäre durch die Absenkung von Standards und Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen zu erreichen.

Unbestritten ist, dass die Standards in Ettlingen vergleichsweise hoch sind. Ebenso die freiwilligen Leistungen. Diese summieren sich 2022 auf ca. 26,5 Mio. und 2023 auf ca. 27,5 Mio.

Das entspricht bereits etwa 20 % der gesamten Erträge des Ergebnishaushaltes. Es ist fraglich, ob wir uns freiwillige Leistungen in dieser Höhe in Zukunft noch leisten können.

Hier einzusparen ist unpopulär und wird viel Gegenwind erzeugen. Aber mittelfristig wird wohl kein Weg daran vorbeiführen, wenn wir unsere Pflichtaufgaben erfüllen wollen, ohne dafür noch mehr Schulden zu machen.

Was im Ergebnishaushaltsentwurf mehrheitlich möglich war haben wir in den Haushaltsberatungen zu diesem Haushalt bereits eingespart.

Im Finanzhaushalt, dort wo auch die Investitionen angesiedelt sind, haben wir unter dem Strich 2022 einen Finanzierungsmittelbedarf von ca. 13 Mio. und 2023 von 15,8 Mio.

Im Hochbau sind im Doppelhaushalt Investitionen in Höhe von ca. 14,2 Mio. geplant.

Die größten Brocken entfallen auf die Sanierungen der Schiller- und der Pestalozzischule, den geplanten Kindergarten Kaserne Nord und die Sanierung des Kindergartengebäudes in Schluttenbach.

Im Tiefbau stehen im Doppelhaushalt Investitionen von rund 14 Mio. auf der Agenda. Darunter fallen u.a. die Hochwasserschutzmaßnahmen, Kanalsanierungen, zahlreiche Maßnahmen im Straßen-, Gehweg- und Radwegbau, auf den Friedhöfen und in den Grünanlagen, Pflastersanierungen, Straßenbeleuchtungen und vieles mehr.

Anmerken möchten wir an dieser Stelle, dass alle Abschreibungen von Investitionsmaßnahmen im Ergebnishaushalt wieder erwirtschaftet werden müssen. Dies sind zurzeit jährlich 11,6 Mio.

In Umwelt- und Klimaschutz wird in verschiedenen Bereichen investiert. Auf zahlreichen Dächern kommunaler Gebäude werden PV-Anlagen installiert.

50% der Verkaufserlöse von Erbbaugrundstücken, in Summe ca. 3,7 Mio., fließen in Maßnahmen, die der nachhaltigen Entwicklung von Ettlingen dienen.

Den städtischen Gesellschaften werden insgesamt 600 T € für Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt.

Die Stadtwerke bekommen 1,65 Mio. zur Unterstützung des umweltpolitischen Engagements. Zahlreiche weitere Umwelt- und Klimaschutzprojekte sind in Planung.

Sehr viel Einsparpotential sehen wir im vorliegenden Finanzhaushalt leider nicht, denn notwendige Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen, z.B. für Gebäude, oder die Verkehrsinfrastruktur werden nicht billiger, wenn man sie aufschiebt.

Auch im Entwurf für den Finanzhaushalt hier haben wir in den Haushaltsberatungen gemeinsam bereits eingespart, gestrichen und verschoben was möglich war.

Neue und noch nicht begonnene Investitionsprojekte müssen künftig jedoch akribisch auf ihre Notwendigkeit und Finanzierbarkeit hinterfragt und mögliche kostengünstigere Alternativen untersucht werden.

Erste Schritte wurden dazu bereits durch Konsolidierungsmaßnahmen im Investitionsbereich eingeleitet.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass in unserer Stadt und ihren Bürgern so viel Potential stecken, dass wir zuversichtlich in die Zukunft blicken können.

Mit gutem Willen werden wir gemeinsam, trotz der notwendigen Spar- und Konsolidierungsmaßnahmen, einen annehmbaren Mittelweg finden, damit das Leben in Ettlingen so lebenswert bleibt, wie wir es gewohnt sind.

Dem vorliegenden Doppelhaushalt stimmen wir in der Hoffnung zu, dass die negative Seite wie immer nicht so schlimm wird wie erwartet und die positive Seite sich wie immer besser entwickelt wie erwartet.

 

Vereinigte Stiftungen

Die ordentlichen Ergebnisse betragen 2022/2023 ca. 57 T und 58 T Euro und bleiben damit auf dem bisherigen Niveau, ebenso die Zahlungsmittelüberschüsse von 159 T und 160 T Euro.

Größere Investitionen sind 2022 und 2023 nicht geplant.

Erfreulich ist, dass im Februar 2023 das Darlehen für den Bau des Stephanusstiftes am Robberg ausläuft. Damit verbessert sich der Finanzierungsmittelbestand in den nächsten Jahren deutlich.

Die Rücklagen weisen für 2022 eine Verbesserung von 147 T Euro und 2023 von 316 T Euro auf. Im gleichen Zeitraum verbessert sich die Liquidität von 664 T Euro auf 779 T Euro.

Dem Haushaltsplan der Vereinigten Stiftungen stimmen wir gerne zu.

 

 

Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung

Aufgrund gestiegener Kosten mussten leider die Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung zum 01.01.2022 um 14 Cent auf 1,79 €/m³, und die Niederschlagswassergebühr um 7 Cent auf 0,68 €/m³ erhöht werden.

Dem Wirtschaftsplan des Abwasserbetriebes für die Jahre 2022 und 2023 stimmen wir wie immer schweren Herzens zu.

Den Hinweis, dass sich die Verbindlichkeiten des Abwasserbetriebes zum 31.12.2021 auf ca. 39 Mio. belaufen, davon rund 6,5 Mio. bei der Stadt, können wir uns dennoch nicht verkneifen.

Man hat uns wiederholt erklärt, dass es sich hierbei um sog. „rentierliche“ Schulden handelt, da der Gegenwert als Vermögen in Form des Kanalnetzes, von Regenrückhaltebecken, Pumpstationen etc. vorhanden sei. Laut offizieller Definition sind „Rentierliche Schulden“

Schulden von Gebietskörperschaften bzw. deren Auslagerungen, bei denen die aus den aufgenommenen Schulden entstehenden Zins- und Tilgungslasten vollständig durch (zweckgebundeneEinnahmen/Erträge aus dem schuldenfinanzierten Investitionsobjekt gedeckt sind.

Bei rentierlichen Schulden erwirtschaftet das Investitionsobjekt den Schuldendienst demnach selbst.

Wie das am praktischen Beispiel Abwasserbetrieb funktioniert, werden wir uns zu gegebener Zeit noch einmal ausführlich erklären lassen.

Bis zum Schluss haben wir uns den wichtigsten Part dieser Haushaltsrede aufgehoben, nämlich unseren Dank an die vielen ehren- und hauptamtlich tätigen Personen, die sich für Ihre Mitmenschen, also für uns alle, in vielfältiger Art und Weise engagieren. Sie alle prägen das Zusammenleben und den Zusammenhalt in unserer Stadt.

Wir bedanken uns im Besonderen bei:

  • den Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr,
  • den Angehörigen des kommunalen Ordnungsdienstes,
  • den Verantwortlichen in den Vereinen, Verbänden und Organisationen,
  • den vielen Menschen, die sich in der Nachbarschaftshilfe und in vielen anderen sozialen Bereichen für ihre Mitbürger engagieren,
  • den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, der Stadtwerke, der SWE-Netze, der Bäderverwaltung und der Stadtbau GmbH,
  • sowie ganz besonders bei den Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat und in den Ortschaftsräten für die stets vertrauensvolle und sachliche Zusammenarbeit.

Den Haushaltsplan für die Jahre 2022/2023 und die Haushaltpläne der vergangenen Jahre finden Sie zum Nachlesen im Internet auf der Homepage www.ettingen.de, Startseite-Bürgerservice-Haushalt, oder mit der Stichwortsuche „Haushalt“. Jürgen Maisch Fraktionsvorsitzender FreieWähler/FürEttlingen